DAV

25.06.2020 [Verband]

Ralf Gantzhorn ist tödlich verunglückt



Ralf Gantzhorn ist tot. Gestern am Mittwoch ist er beim Abseilen nach einer Klettertour an der Cheselenflue im Melchtal abgestürzt. Bei einem Zwischenstopp auf dem Weg ins Wallis. Ralf kam vermutlich durch eine Handhabungsfehler ums Leben, so steht es in der Unfallmeldung der Kantonspolizei Obwalden.

Unfassbar. Ralf, der so erfahren im Bergsteigen war wie kaum jemand sonst in Norddeutschland, abgestürzt beim Abseilen.

Ralf, der als erster Norddeutscher den Granitriesen Fitz Roy in Patagonien bestiegen hatte, der immer wieder zu wilden Abenteuern zwischen Alpen und Südamerika aufgebrochen war, Ralf, der uns alle mit packenden Schilderungen und noch packenderen Fotos seiner Erlebnisse begeistern konnte, in seinen Büchern, in Bergsportmagazinen, bei Vorträgen, im Gespräch.

Das Abenteurertum wurde ihm 1964 in Eutin (Schleswig-Holstein) nicht in die Wiege gelegt. Doch nachdem er das Klettern im Ith entdeckt hatte, war ihm das norddeutsche Flachland bald zu eben und zu klein. Eins seiner ersten großen Ziele war Patagonien, das er an die dreißig Mal besucht hat.

Ralf lebte seinen Traum. Er war begeisterter Kletterer und Bergsteiger, und er machte sein Hobby als Bergfotograf zum Beruf. Damit war er eine große Inspiration. Einfach tun, was man für richtig hält. Einfach Aufbrechen in die weite Welt. Die Grenzen verschieben. Mit dieser im besten Sinne kompromisslosen Haltung hat er viele Ziel erreicht. In den Bergen, im Leben, im Job.

Ralf hatte immer Pläne. Und er war unglaublich professionell. Er bereitete sich akribisch vor, beim Planen, beim Training in der Kletterhalle in Hamburg. Am Berg war alles perfekt organisiert und durchgetimt, er war im richtigen Moment am richtigen Ort. Auch mit klobiger Kameraausrüstung kletterte er schwierigste Routen, um die Magie des Augenblicks einzufangen.

Er hatte das Auge für die Situation, den Augenblick, die Schönheit in den kleinen und den großen Dingen. Manche von Ralfs Bildern sind magischer als der Augenblick selbst. Sie erzählen von der Freiheit der Berge, von der Schönheit der Welt, vom Lohn der Mühen, gemeinsam mit Freunden unterwegs zu sein. Damit ist Ralf für immer einer der großen Erzähler der Berge.

Vor ein paar Tagen habe ich seine Beschreibung der Besteigungsversuche am Monte Sarmiento in Richard Goedekes bald erscheinenden Buch über das norddeutsche Bergsteigen gelesen. Sieben Mal war Ralf ans Ende der Welt in Feuerland gesegelt und hatte es unter widrigsten Bedingungen bis auf den Ostgipfel des Eisriesen geschafft, um dann zu sehen, dass der Westgipfel doch etwas höher ist. Natürlich wollte er wieder hin um auch den Hauptgipfel zu besteigen.

Nun steht Ralf auf dem Gipfel einer anderen Welt. Er wird uns sehr fehlen.


Axel Hake